Montag, 10. Juni 2019

Es wird Sommer

Irgendwo im Nichts

Es ist Sommer geworden hier im Norden. So schnell, dass ich meine Ölsachen und warme Unterwäsche nicht schnell genug ausziehen kann und schwitze beim Einlaufen in den Hafen von Kihnu. Ich suche meine kurze Hose raus und erinnere mich an letztes Jahr, wo wir Wochenlang dieses Wetter hatten. Nur das war im Juli. Jetzt Anfang Juni kommt es früh und überraschend.
Nachdem Susanne in Karlskrona an Bord gekommen war, segeln wir mit Backstagsbrise durch die Schären nach Kristianopel. Dort erst ganz allein, füllte sich der Hafen Abends dann doch mit einigen Zugvögeln. - Das sind die Segler die im Sommer immer Richtung Norden segeln und im Herbst erst wieder nach Hause-. Leider haben alle Cafes noch geschlossen. Kein Wunder, es ist noch Mai. Am Wochenende den 1.Juni gehts aber los. Nützt uns nur nichts, denn da sind wir schon weiter. Mit kräftigem Wind geht es den Kalmarsund hoch. Kurzer Boxenstop in Kalmar zum Tanken segeln wir  noch bis Stora Rör. Dieser kleine Hafen auf Öland nur 8sm nördlich der großen Stadt steht für Entschleunigung und war die Entdeckung in 2018.  Auch hier ist alles zu, aber es ist auch schon spät am Abend. Der gute und sehenwerte Bäcker am Hafen mit Cafe macht aber morgens wieder auf. Doch wir schauen die Windvorhersage an und entscheiden: Wir segeln am nächsten Morgen schon früh los durch bis Visby. 60sm, das sollte gehen, bevor uns Starkwind für die nächsten Tage ausbremst.

Die Bäckerei in Stora Rör

Noch wird gebaut in Stora Rör

Die Stege sind noch nicht alle fertig in Stora Rör

Fast bis zur Nordspitze Ölands können wir schnell segeln. Dann schläft der Wind ein und kommt leider, anders als vorhergesagt, nicht wieder. So motoren wir dann noch bis Visby. Auch dort noch angenehme Leere. Nur wenige Boote sind da. Nachts dreht der Wind auf Südwest und wird stark.  Ein Manko des Visbyer Hafen. Er ist nach SW total offen. Der Schwimmsteg arbeitet im Schwell und das Boot schaukelt. Ich bringe noch Ruckdämpfer aus und verzurre uns fest. Nun können wir mindestens etwas schlafen. Gegen Mittag hört dann der Regen auf und den Rest des Tages scheint die Sonne. Wir laufen durch Visby. Wir kennen  unsere Lieblingsecken noch vom Vorjahr.
Es pfeifft noch den ganzen Tag. Gegen Abend wird es ruhiger. Und wieder trifft die Windvorhersage für die kommenden Tage die Entscheidung: Wir segeln durch bis in den Rigaischen Meerbusen. Unsere Freunde sind aber noch nicht auf Ruhnu sondern in Kuresaare. Das ist sogar ein paar Meilen näher und so steht das Ziel fest..

Im letzten Abendlicht nach Visby

Visby

Der recht leere Hafen von Visby

Visby

Über den Dächern von Visby

Als wir am nächsten Nachmittag den Bug aus dem Farösund Richtung Osten stecken schläft der Wind ein, der uns wunderbar von Visby bis hierher gebracht hat. Die Welle bleibt leider sehr hoch. Der starke Wind der letzten Tage hat seine Spuren hinterlassen. Wir müssen den Motor anschmeißen und schaukeln uns durch die helle, aber sehr kalte Nacht. Unter Deck läuft die Heizung. Das macht es erträglich. Radar und AIS Empfang geben Sicherheit. Dennoch bleibt nie eine Überfahrt ohne ein Ausweichmanöver für die Großen. Das Meer ist so groß. Warum treffen sich 2 Boote exakt an einem Punkt.
Nach 160sm ist in  Kuresaare die Freude groß am nächsten Nachmittag Carmen und Henrich von der Happy Our2 wieder zu sehen. Wir leihen wir uns zusammen ein Auto und fahren über die Insel Saarema und Muhu. Gerade Muhu ist eine Insel mit viel Nichts. Ein exklusives Restaurant in das uns die Happy Our entführt und ein altes Dorfmuseum, wo aber noch normales Leben herrscht ist alles.
Den nächsten Tag verbummeln wir in Kuresaaare. Die alte Bischofsburg Ahrensburg und der das kleine Städtchen lassen die Zeit nicht lang werden. Es hat sich einiges verändert zum letzten Mal als ich 2008 hier war.
Exklusives Restaurant Pädaste auf Muhu. Ein kleiner Teil der riesigen Außenanlage

Exklusivität über all in Pädaste

Gästehaus in Pädaste

kleiner Hafen auf Muhu

Muhu, Lounaranna, Hafen an der Südküste

Nordküste von Muhu

Bauernhausmuseum auf Muhu

Bauernhausmuseum auf Muhu

Neu gestalteter Marktplatz in Kuresaare

Ist das Kunst? In Kuresaare

Kurhaus in Kuresaare

Die Bischofsburg in Kuresaare, Ahrensburg

Der Steg füllt sich mit deutschen Booten. Viele davon kennen sich schon. Wie auch die Happy Our sind sie alle über Polen die Baltische Küste hoch gekommen. Einige wenige sind wie wir über Gotland gesegelt. Neue Bekanntschaften entstehen. Einige wollen weiter nach Riga, andere gleich weiter Richtung Tallin.
Wir segeln mit der Sunshine mit Volker und Martina und der Happy Our nach Ruhnu. Eine Insel mitten im Rigaischen Meerbusen. Macht nicht viel Werbung. Warum auch. Es gibt nichts, nur ein kleines Dorf und eine alte Holzkirche. Aber der Hafen ist gemütlich und geschützt. Wir nehmen die Fahrräder und genießen dieses Nichts.
Susanne trifft zufällig im kleinen Dorfladen den Pfarrer. Der macht uns später die Holzkirche auf. Nicht aber ohne noch von jedem von uns 5 Euro zu kassieren. Es ist nun Juni und ab Juni kostet die Kirche Eintritt. Egal. Diese Kirche braucht dieses Geld. Wäre schade wenn sie nicht in dem guten Zustand erhalten bliebe. Im kleinen Cafe in der Dorfmitte, wo wir uns dann alle treffen, gibt es ein leckeres Mittagessen für kleines Geld.
Netter kleiner Hafen in Ruhnu

Abends Grillen mit allen in Ruhnu

Dorfcafe in Ruhnu

Dorfcafe Innen

Wir sitzen zusammen im Dorfcafe

Wie ein Museum und dennoch normal und belebt

Rabarberkuchen in Ruhnu

die 2 Kirchen auf Ruhnu

Die Holzkirche von innen

Krumme und schiefe Bänke in der alten Holzkirche

Einfachheit hat Stil

Die Esten, die etwas englisch sprechen sind recht aufgeschlossen. Die anderen wirken sehr verschlossen. Selbst ein freundliches Lächeln ist schwer zu bekommen. Der Pfarrer sprach sehr schlecht Englisch. Das kurze Gespräch das er freundlich versuchte mit uns zu führen, endete dann in Estnisch, weil er einfach nicht weiter wusste. Wenn bloß die Sprachbarriere nicht wäre. Es gäbe soviel, was ich gerne fragen würde.
Die nette Wirtin, wo wir am Abend dann am Hafen essen gehen, dagegen spricht recht gut englisch. Es schmeckt vorzüglich. Super Preis und sehr nette Atmosphäre. Sie macht aber nur auf, wenn man am Mittag sich für den Abend auch anmeldet und genug Leute kommen.

Am nächsten Tag trennen sich unsere Wege. Die Happy Our und die Sunshine segeln nach Riga und wir nach Kihnu. Wir sparen uns die langen 2x60sm nach Riga und wieder zurück. Wir haben schon soviele lange Schläge dieses Jahr gemacht. Man wird faul. Wir segeln die 30sm nach Kihnu mit kräftigem raumen Wind und entsprechender Welle. Es ist recht kühl, denn der Wind ist kalt. Doch kaum im Windschatten der Insel wird es warm. Sehr warm.

Kihnu enttäuscht. Wir waren von einem Freund vorgewarnt. Kihnu, eine Insel, die es schafft mit ihrer Geschichte und vielen schönen Bildern in allen Medien präsent zu sein. So ist Kihnu aber wohl nur, wenn das Tourismusbüro ein Fernsehteam über die Insel begleitet.

Kihnu Nordspitze. Sieht doch klasse aus oder?

Nordspitze Kihnu

Fähranleger mit Feuerwehr in Kihnu

2 deutsche Boote sind die einzigen Gäste. Die Flagge zeigt es 

Steg in Kihnu

Wir legen uns an einen Steg neben einem riesigen Fährhafen, der den kleinen Fischeranleger weiter hinten im Schilf fast erdrückt. Am Steg ein deutsches Boot. Sonst leer. Wir laufen etwas herum. Ein Hafen im Nichts, aber nun ist dieses Nichts eher deprimierend. Wir verschieben das Erkunden der weiteren Umgebung auf den nächsten Tag, packen die Fahrräder aus und fahren zum nächsten Ort. Sehr enttäuschend.
Wir fahren noch an die Nordspitze. Die Landschaft ist wunderbar, aber die Menschen, die wir treffen, sind eher abweisend. Ein kurzer Gruß und Nicken von uns wird nicht mal beantwortet. Man schaut uns nur an und reagiert nicht. Von den im Fernsehen gesehenen Geschichten gibt es leider nichts.
Das gefällt uns nicht und wir brechen schon am frühen nachmittag auf und motoren die 15sm nach Pärnu. Es ist heiß und wir sitzen im Schatten des Mastes auf dem Vorschiff. Die Farbe des Wassers wird rötlich braun. Der Pärnu bringt viel Schlamm mit sich und dieser Schlamm hat Pärnu, den Ort, schon vor über 100 Jahren zu einem Heilbad gemacht. Mit Ostseeschlamm zum Seebad. Pärnu gefällt uns. Die kleine Altstadt mit vielen Holzhäusern, vielen Kneipen und Cafes und der Yachthafen mit einem regen Vereinsleben. Anscheinend werden dort auch die jungen Kadersegler Estlands trainiert, denn täglich sind sie auf dem Wasser. Nur montags ist frei, wie man mir erzählt. Von Klein bis Gross. Abends kommen die Erwachsenen und gehen mit ihren Booten noch ne Runde segeln oder sitzen im sehr netten Clubrestaurant.
Pärnu


Pärnu

Pärnu

das Wasser wird braun auf dem Weg nach Pärnu

Der Yachtclub in Pärnu
von kleinauf zum Segeln kommen

Auch die Jugend trainiert hier

Sehr viele grüne Parks und Alleen in Pärnu

Der Sommer ist da und die Stadt lebt. Wir sitzen mal hier, mal da in einer Kneipe und genießen den Trubel. Aber es wird uns zu heiß in der Stadt. Wir wollen weiter. Leider ist mit der Hitze auch die Windstille gekommen. So motoren wir mal wieder lange bis nach Kuivastu. Den Hafen auf Muhu haben wir uns während der Autofahrt eine Wochen vorher schon angeschaut. Auch ein Yachthafen an einem Fähranleger und nichts dahinter. Dennoch ist er gemütlicher als Kihnu. Ein netter, alter Hafenmeister begrüßt uns. Aber hier war auch klar. Es ist ein Durchgangshafen.
Wir wollen nach Haapsalu. 2008, als ich das erste mal hier in der Gegend gesegelt bin, musste ich diesen Hafen auslassen. Auch Haapsalu, ein Heilbad aus uralter Zeit. Auch hier hat der Ostseeschlamm schon den Zar angelockt. Viele Holzhäuser, eine Bischoffsburgruine (der Vorgänger bevor in die Ahrensburg um gezogen wurde) und ein alter Bahnhof mit über einem 200m langem überdachtem Bahnsteig aus der Zeit als man dem Zaren noch was bieten wollte.
Dazu eine Promenade mit einem alten Kurhaus und eine Straße in der Stadt mit vielen Kneipen wo die Menschen im Schatten sitzen. Uns gefällt es. Dennoch. Wir schwitzen. Abends steht die Hitze. Das Gewitter zieht vorbei und bringt keine Abkühlung.

Badestelle in Haapsalu

Haapsalu

Alter Bahnhof
Haapsalu auf Russisch. Für den Zar als Gast


Haapsalu, der alte Bahnhof

an der Promenade in Haapsalu

Kurhaus in Haapsalu

Seit einigen Tagen sehnen wir uns nach einer Ankerbucht und uneingeschränktem Badevergnügen. Das gibt es hier in Estland leider nicht. Die Buchten sind flach und steinig. Man kommt nicht ran ans Land. Finnland kann uns das bieten. Also? Ja wir segeln rüber. Wetter passt. Von Haapsalu etwas über 50sm. Der Wind ist gut, nur kurz muss der Motor schieben. Wir segeln nach Finnland. Am Himmel braut sich was zusammen. Dann kommt aber nur etwas Regen, das Gewitter sucht sich einen anderen Weg. Wir auch und fahren zickzack in der Grossschifffahrtsroute. Und dann abends gegen 21 Uhr liegen wir fest in einer Bucht an einer grünen Tonne. An Land ein netter Anleger mit 3  Booten. Das alles gehört hier zum Finnischen Kreuzerclub, Merikarhut. Was Seebären heißt..
Wir wissen nicht recht ob es erlaubt ist, machen dennoch fest. Vertrieben werden wir nicht, auch wenn einer von Land laut gestikuliert und meint, wir sollen vor Anker gehen. Weil es so spät nun ist, lassen wir es einfach mal sein. Ich glaube die anderem am Steg haben ihn ruhig gestellt, denn er war nicht mehr gesehen.
Am Morgen springe wir ins ca 18 Grad warme Wasser. Anbaden. Es tut so gut. Dann geht es gegen einen sehr schwachen Ostwind weiter nach Osten. In Barösund machen wir kurz fest. Es geht zu wie in der Innenstadt am Samstag. Es ist ja auch Samstagmittag, nur die Fahrzeuge sind alles kleine Motorboote. Man kommt schnell zum Einkaufen, Essen und Tanken dorthin um dann das gerade gekaufte Benzin wieder in Vollspeed zu verheizen. Volles Leben im Sommer.
Auch wir kaufen ein und tanken voll. Dann nur noch einige Meilen und wir liegen alleine in einer großen runden Bucht. Das Wasser hat hier über 20Grad. Es ist heiss, das Sonnensegel wird immer wieder neu justiert. Oh, wie wir das genießen hier zu sein. Dieser Schlag hierüber hat sich voll gelohnt.
Ankern in Finnland

Gewitter ziehen herum, lassen uns aber in Ruhe

Segeln in den Schären

Am nächsten Morgen (Pfingstsonntag) weht es aus West. Der Wind nimmt noch bis 6 Bf zu am Nachmittag. Wir sausen nur unter Genua nach Osten. Eine recht ungeschützte freie Strecke und auch hier steht entsprechende See. Nur nicht die Orientierung verlieren. Die Tonnen in der aufgewühlten See finden und knapp an den Steinen vorbei zurück ins Innenfahrwasser. Aufregende 18sm.
Nun liegen wir an einem Steg, den ich vor 11 Jahren zufällig entdeckt habe. Inzwischen hat sich einiges verändert. Es sind nun 2 große Stege mit Strom, an Land gibt einen kleinen Kiosk und Sauna. Dennoch hat der Platz nichts von seinem Charme verloren. Wir fühlen uns wohl. So wohl, dass wir heute hier bleiben. Wir laufen durch die Landschaft zur nächsten Bucht. Ist am Ende ganz schon weit, denn die Straße führt erstmal weg vom Ziel. Müde sitzen wir in dem kleinen Hafen und stärken uns. Der größte Teil des Weges ging entlang einer Straße und das auch noch hoch und runter. Richtig Lust das alles zurück zu laufen haben wir nicht. Susanne schafft es einen jungen Mann dazu zu bringen uns zumindest die Straße zu ersparen. Er nimmt uns mit dem Auto mit. Er wohnt in Helsinki, hat hier ein Wochenendhaus und draußen noch eine Insel mit einem Motorboot. 
Morgen segeln wir von hier die 35sm  nach Tallin. 


Am Steg in Lähteelä. Källvik





In der Nebenbucht Porkala Marine. Schönes Ziel für einen Ausflug. 

Umkleidekabine auf Finnisch

Blick in den Schärengarten
An die Grillstelle kann ich mich noch erinnern

Am Wegesrand in Finnland





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